05. March 2011 - 20. March 2011
Club
im Saalfoyer 1. OG
Fotografien von Clemens Bechmann
Clemens Bechmanns Aufnahmen entstanden 2008 an der spanischen Fernstraße N1. Die, wenn man so will, Standortfaktoren sind dort gute: Der Verkehr in den Süden und jener nach Portugal verlaufen auf einer gemeinsamen Strecke. LKW-Fahrer sind häufige Besucher der Bordelle – ausgedehnte Parkflächen sind unverzichtbar. Leuchtreklamen mit der knappen Ankündigung CLUB senden ein unmissverständliches Signal aus.
Clemens Bechmann: Club
"Die N1 zwischen dem nordspanischen Burgos und Miranda de Ebro: Auf 80 Kilometern säumen insgesamt zwölf Bordelle die stark befahrene Fernstraße Madrid – Irun. Sie führt hier durch weite, offene Terrains und hat, dem Verkehr zum Trotz, mehr das Format einer Landstraße. Wo keine entfernten Bergketten zu sehen sind, markieren Windräder den Horizont; die nahe Autobahn läuft mal links, mal rechts. Manch eines der wenigen Dörfer passt nur knapp dazwischen. Etwas abseits finden sich eine mit Erläuterungen sorgfältig beschilderte Römerstraße und ein „Parque Arqueologico« – ein kleines umzäuntes Stück Feld, auf das ein großformatiges Schild mit der Aufschrift »UNESCO 30. 11. 2000« hinweist. Der ebenfalls per Schild angekündigte Jakobsweg kreuzt und mit ihm die langen Reihen der Pilgernden.
Es ist eine ruhige Gegend – der Einfluss des Verkehrs beschränkt sich auf einen schmalen Streifen entlang der N1. Auf diesem hat er allerdings etliche Tankstellen, »Hostal«-Restaurant-Kombinationen und eine beeindruckende Anzahl von Bordellen hervorgebracht, die alle auffällig – schrill leuchtend oder vor allem mit Buchstaben in großem Format – um die vorüberfahrende Kundschaft werben: »Club Jalde«, »Club Fuente del Rey«, »Discoteca Club Macabucho«, »Club Hotel El Molino«, »Club 290« – oder einfach nur »Club«. Im städtischen Gefüge in der Regel »Whiskeria« benannt, kündet in Spanien außerorts das Wort »Club« verlässlich vom Betrieb eines Bordells – und so verfügt jeder »Club« gleich über mehrere Schilder, die ihn gut sichtbar ausweisen: Club, Club, Club strahlt es in alle Richtungen. Nicht selten signalisiert eine Leuchtschriftdame, die mal liegt oder sich mit balletthaft angehobenem Bein anbietet, überdeutlich, um was es hier geht. Die wenigen unterschiedlichen Modelle tauchen mehrfach auf. (...)
In Spanien erlebte die Prostitution zuletzt einen beispiellosen Boom: Die Zahl der Prostituierten bemisst man auf 350.000, das sind im Verhältnis zur Bevölkerung doppelt so viele wie in Deutschland; Schätzungen zufolge werden 18 Milliarden Euro jährlich umgesetzt. »Spanien wird zum Bordell Europas«, schrieb die Presse und druckte doch weiter die Anzeigen von Prostituierten, die oft gleich die Tarife nennen. Bei der Erklärung dieses Aufschwungs war man ähnlich ratlos und uneins wie in der Politik, die nichts auf den Weg brachte und die Prostitution als rechtlich nicht bestimmte Aktivität im gesetzlichen Vakuum beließ. Der Zwang zur Prostitution wird zwar strafrechtlich verfolgt, ist aber verbreitete Realität. Ob und, wenn ja, wo genau sich diese Realität entlang der N1 abspielt, lässt sich nicht sagen. Orte dafür gäbe es genug."
Clemens Bechmann, geboren 1976 in Westerland/Sylt, studierte zunächst Architektur an der TU Darmstadt und später Visuelle Kommunikation an der HfG Offenbach bei Frank Schumacher und Martin Liebscher.
Projektleitung: Annette Schellenberg, Karla Nieraad